Aus und letzte Tage in Namibia

Schmerzlich macht uns der Name der vorletzten Station - Aus - bewusst, dass unsere Zeit in diesem faszinierenden Land fast abgelaufen ist und wir nur noch lausige drei Tage hier vor uns haben. Jetzt wären noch zwei Wochen recht! Irgendwie sind Reisen immer zu kurz, und gerne hätte man an vielen Orten länger verweilt. Da uns jedoch noch eine wundervolle ganze Woche in Südafrika erwartet - von Springbock über Namaqualand bis Kapstadt zu Walen und Haien - bricht vorerst noch keine Heimkehr-Panik bei uns aus.
   Die Umgebung von Aus, gelegen an der südlichen der zwei Ost-
West-Hauptverkehrsadern des Landes, ist die Heimat der Namibia Wildpferde. Ihr Dasein hat weniger mit Evolution nach Darwin'scher Theorie zu tun, sondern beruht auf einer "praktischen" logistischen Maßnahme nach den Kolonialkriegen: Man hat ihre Vorfahren hier einfach zurückgelassen. Wir verstehen zwar nichts von Pferden - aber wenn man die "wilden" Nachkommen so in dieser herrlichen weiten Landschaft betrachtet, gut genährt, anmutig, in großen Herden und frei: Etwas besseres hätte ihnen nicht passieren können! Bei einer vorabendlichen Rundfahrt um unsere heutige Bleibe können wir sie hautnah erleben - etwas arg hautnah fällt der Kontakt für Heidi und ihre Mitinsassen aus: Die Nahaufnahme vom neugierigen Leithengst wird missbilligt mit einem kräftigen Biss in den Fenstergummi.
   Ein ebenso begehrtes, wenngleich wesentlich schwieriger "einzufangendes" Foto-Objekt sind die quirligen gestreiften Mäuse, die zwar in Scharen, aber sehr flink um die Bungalows des Klein Aus Vista wuseln und in den Büschen alles Fressbare zusammensammeln. Auch heute sorgt die untergehende Sonne vor unserer Terrasse für ein spektakuläres Farbschauspiel. Der hiesige Nachhimmel kommt allerdings an den über der Wüste nicht mehr ganz ran...

   Ein Wechselbad an unterschiedlichen Eindrücken und Empfindungen beschert uns am folgenden Tag der Abstecher nach Lüderitz. Durch zauberhafte weite Landschaft geht es gute 120 Kilometer entlang der verlassenen Bahnstrecke Windhoek-Lüderitz, bis wir kurz vor der Küste in eine dicke Nebelsuppe eintauchen. Es ist schlagartig saukalt und feucht - wir sind in Lüderitz. Grau und düster alles rund um uns herum, die warmen Wüstenfarben sind kühlen Grautönen von nacktem Fels gewichen. Besonders deprimierend das erste, was man von diesem Hafenstädtchen zu sehen bekommt: der Friedhof mit einem riesigen frisch angelegten Areal, das auf viele Neuzugänge in näherer Zukunft schließen lässt.
   Pittoresk, wie die Reiseführer den Ort mit seinen bunten Häuschen und prachtvollen Kolonialbauten präsentieren, mutet Lüderitz so gar nicht an. Bedrohlich und düster überragt die Felsenkriche - ebenfalls grau - die Stadt, erdrückt wirken die in Lavamassen hineingesetzten Häuser, und das edle Goerke-Haus, einst Domizil eines Leutnants gleichen Namens, heute gelegentliche VIP-Herberge für Geschäftsfreunde einer Diamantminengesellschaft, sieht (zumindest heute) eher aus wie das Heim der Munster Family. Wir sind froh, dass auch unsere Mitreisenden das Bedürfnis haben, den Aufenthalt hier auf eine knappe Runde hinunter an den Hafen zu beschränken und dann die Geisterstadt Kolmannskuppe zu besichtigen. Den Weg zur Bucht hätten wir uns auch sparen können - er führt vorbei an riesigen, leer stehenden und teilweise verrotteten Lagerhallen, der Hafen ist gottsverlassen, ein paar Kähne dümpeln vor sich hin. Aber wir freuen uns dennoch über zwei kleine, aber erfolgreiche Programmpunkte: Hans 2 findet endlich in einem Laden sein ersehntes Namibia-Fähnchen, und unten am Hafen bietet ein Kiosk eine Toiletten-Einkehrmöglichkeit.
    Das Ambiente des ehemaligen Minenstädtchens Kolmannskuppe empfinden wir nicht ganz unähnlich dem von Lüderitz. Allerdings ist Kolmannskuppe eine Geisterstadt. Verlassen seit etwa 1950, zwischenzeitlich von Sanddünen vereinnahmt, gibt sie einen spannenden Einblick in illustre Zeiten im Diamantenfieber. Sehenswert nicht nur die Eroberung der Häuser durch die Wüste, auch die "standesgemäße" Architektur - das große Prunkhaus des Bürgermeisters, das flotte, aber etwas kleinere des Architekten, die kleinen der Angestellten bis hin zu den Baracken der Arbeiter. Zahlreiche Annehmlichkeiten versüßten damals den hier Ansässigen den Aufenthalt und sind - vom Sand freigeschaufelt - heute zu besichtigen: ein Theater, eine noch teilweise eingerichtete riesige Kasino-Küche, Turnhalle und Kegelbahn im Jugendstil. Jede Menge Interessantes zu Geologie und Geschichte des Ortes ist auf Schautafeln überall nachzulesen. Es macht Spaß, hier durchzustreifen, nur schade, dass die Anlage, aus welchen Gründen auch immer, bereits um 14.30 Uhr schließt. Linda mault, man hätte sich besser gleich Lüderitz gespart, um hier mehr Zeit zu verbringen. Aber es hilft nichts - wir haben heute ohnehin noch eine ganz nette Strecke vor uns - es geht auf dem gleich Weg wieder zurück nach Aus und weiter in Richtung Fishriver.
   Die alten Bahnhofshäuschen entlang des Schienenstrangs sehen nach diesem geballten Erlebnis von Vergänglichkeit und Zerfall nicht mehr ganz so malerisch aus. Traurig mutet auch ein einsamer, an den Gleisen entlangtrabender Strauß an, der sichtlich hinkt. Munter und wachsam ist dagegen die Straußenherde direkt neben der Straße und wie immer, wenn wir bei solch einer Gelegenheit stoppen, vergrößern die Tiere unmittelbar und zügig den Abstand zu uns. Der Rest des Tages steht weiterhin im Zeichen des Straußes: Wir steuern die Vogelstrausskluft Lodge an, um die 100 Kilometer nordwestlich des Fishriver Canyons.
   Unterwegs tauchen vereinzelt Exemplare der hier typischen Köcherbäume auf. Leider reicht die Zeit nicht, den berühmten, nicht weit entfernten "Köcherbaum-Wald" in Keetmannshoop zu besuchen - Linda denkt erneut und leicht verdrossen an Lüderitz und seine Entbehrlichkeit. Aber so wäre uns auch Kolmannskuppe entgangen - alles kann man halt nicht haben...

    Nächster Tag: Die 100 Kilometer bis zum Parkeingang des Fishriver Canyons ziehen sich - ebenso das Zahlen per Kreditkarte für den Eintritt. Hingebungsvoll und peinlich genau überträgt unser Ranger 1:1 all die maschinell erfassten Daten von der Quittung handschriftlich auf ein Formular, das er zuvor ziemlich lang suchen musste, und wir sind angehalten, es noch mit diversen Angaben wie Autonummer, Reisegrund, und vielem mehr zu vervollständigen. Nach Einsammeln von Hans 2, der noch den Shop nach Brauchbarem durchforstet, bricht unser kleiner Konvoi auf zum Fischfluss. Mittlerweile ist es Mittag geworden. Aber gerade bei fast senkrecht einfallendem Licht ist der Blick von der jäh endenden Hochebene hinein in die zerklüftete, bis zum Horizont reichenden Canyon-Landschaft mit seiner markanten Flussschleife tief unter uns atemberaubend. Vor uns liegen aufgeschlossen zwei Milliarden Jahre Erdgeschichte, wobei der Fluss selbst erst vor 50 Millionen Jahren begonnen hat, sich hier einzuschneiden. Das Tal ist über 160 Kilometer lang und von der Hochebene aus gesehen zwischen 450 und 550 Meter tief. Eine Sage erzählt, dass einst ein Drache vor Jägern aus der Wüste geflohen ist und hier seine Kriechspur hinterlassen hat - die Mäander. Tatsache ist, der Fishriver Canyon belegt weltweit größenmäßig nach dem Grand Canyon Platz Nummer zwei. Auch wenn wir - zumindest Hans und Linda - nicht unbedingt hinunter in die Schlucht krabbeln würden: Ein klitzekleiner zusätzlicher Tag hier wäre schon ganz nett - die Hochebene entlangfahren, Panoramen genießen und sich in den warmen Quellen von Ais-Ais suhlen. Doch wie so oft müssen wir heute noch Strecke machen - raus aus Namibia und über die südafrikanische Grenze nach Springbock.


   Was wir alles auf der letzten Etappe dieser fantastischen Reise - in Südafrika - noch erleben, ist eine andere Geschichte. Ihr könnt uns gerne auch dorthin begleiten - durch Namaqualand an der Westküste entlang hinunter nach Kapstadt und Hermanus zu Walen und Weißen Haien. Das und vieles mehr findet ihr unter www.afrikablues.de. Wir freuen uns auf euren Besuch!