Darwin - Kakadu-Nationalpark - Katherine und zurück

Eigentlich sollte es wieder mal nach Afrika gehen. Dass wir nun in Australien gelandet sind, ist eine längere Geschichte, die wir hier nicht weiter vertiefen möchten. Wir wollten nur nicht in München heiraten im desolaten Standesamt überm S-Bahn-Gleis. Nach Recherchieren diverser Alternativen haben wir beschlossen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: uns eine nicht alltägliche Reise zu gönnen plus Trauung in Palm Cove, Queensland.

   Es ist November, Beginn der Hauptreisezeit in Down Under. Als Australien-Greenhorns haben wir uns sicherheitshalber für den von einem renommierten deutschen Weltreise-Veranstalter angebotenen Dreiwochen-Rundumschlag mit den Highlight-Klassikern entschieden, Hin- und Rückflug, Rundreise mit vorgegebenen Etappen in eigenem Mietwagen, Übernachtungen und vier Inlandsflüge inklusive.
   Unser 28-Stunden-Flug endet in Darwin. Ehe alle austeigen dürfen, eilen die Stewardessen nochmal lächelnd durch die Gänge und leeren ein paar Riesen-Spraydosen dicht über unseren Köpfen - ein Desinfektionsmittel, wie wir erfahren. Willkommen in Australien!
   Zwei weitere Paare haben dasselbe Arrangement gebucht wie wir - man lernt sich auf der Fahrt zum Hotel kennen. Wir vermuten Vater und Tochter sowie ein Lehrer-Ehepaar. Schön, dass heute "Ruhetag" ist und unsere Tour erst morgen beginnt. Wir entspannen in der gemütlichen Anlage mit tropischem Garten, springen ab und zu in den Pool, nachmittags drehen wir eine kleine Runde durch das Städtchen, kaufen uns Sonnenhütchen mit Fliegennetz und Proviant für die Fahrt. Aus dem im Reiseführer angegebenen, sehenswerten Spektakel mit Riesenfischen im Hafenbecken wird nichts: Heute ist Ebbe und für die Tiere ein zu niedriger Wasserstand. Dafür entdecken wir im Gebüsch an der Uferpromenade ein paar Großfußhühner und erleben einen zauberhaften Sonnenuntergang. Auf ein Abendessen im klinisch anmutenden Hotel-Restaurant verzichten wir und folgen dem Tipp einer Bedienung, im Garten die Snackbar auszuprobieren. So kommen wir denn zu gegrilltem Barramundi und köstlichem Wein - fast zum halben Preis wie im Restaurant, inmitten tropischer Pflanzen - und geraucht werden darf hier auch, was will man mehr!
   Lisa und Helmut sind die beiden Guides, die uns am nächsten Morgen erwarten, uns Karten sowie Info-Material zur Reise übergeben und uns zu
den Mietwagen bringen. Lisa verabschiedet sich gleich nach ihrer Vorstellung wieder. Helmut, ein irgendwann einmal hier hängengebliebener Deutscher, schwankt in seiner Art zwischen Zyniker und Frohnatur. Er empfiehlt eindringlichst den Abschluss einer Vollkasko-Versicherung, denn ein Totalschaden durch Überfahren eines Kängurus sei hier an der Tagesordnung, meint er. Wir entscheiden uns für die Variante mit geringem Selbstbehalt und hoffen inständig, wir und unseren Weg kreuzende Tiere mögen von derlei Vorfällen verschont bleiben.

   Nach einer kurzen Eingewöhnungsfahrt im Linksverkehr durch Darwin geht es heute 320 Kilometer in Richtung Südwest zum Kakadu Nationalpark. Die in unseren Reise-Infos vom Veranstalter für unterwegs empfohlene eineinhalbstündige "Jumping Crocodile Cruise" am Adelaide River wäre ja ganz nett, aber ob die Zeit dazu ausreicht, bezweifeln wir. Außerdem führt der Fluss jetzt in der Trockenzeit kaum Wasser. Dafür laufen wir in der Mittagshitze bei gut über 40 Grad ganz fasziniert zwischen gigantischen, über vier Meter hohen Termitenhügeln umher, die direkt neben der Straße aufgetaucht sind. Solche Riesen haben wir bisher noch nicht gesehen!
   Als weiterer lohnender Stopp entpuppt sich der Fogg Dam, ein Feuchtgebiet, das zahlreichen Wasservogelarten und Reptilien einen idealen Lebensraum bietet. Am Beginn der hochgelegten Straße durch den Sumpf mahnt ein großes Schild zur Vorsicht vor hier heimischen Krokodilen. Vor uns überquert ein hübscher, recht großer Waran zügig den Weg und flüchtet über die Böschung in den Schutz von Sträuchern. Linda beobchtet Reiher und Jakanas bei der Jagd, während Hans dem Waran etwas zu nah am Tümpel nachspürt. Ziemlich ungehalten erinnert ihn Linda an das Warnschild und die so oft im Discovery Channel gesehenen Szenen mit Kroks auf Beutefang. Unsere weitere Erkundung des Plätzchens setzen wir mit dem Auto fort - allerdings recht flott, da wir noch einen langen Weg vor uns haben, uns im Kakadu-Park noch einiges ansehen und nicht im Finstern unser Quartier suchen möchten.
   Je mehr wir uns der Parkgrenze nähern, umso schwärzer wird der Himmel. Wir hoffen inbrünstig, die wenige Zeit im Park - das Bisschen heute und noch morgen - nicht im Platzregen zu verbringen. Im Visitor Center am Eingang, wo wir eine Parkkarte erstehen, begegnen wir unserem ersten Beuteltier: einem Wallaby-Baby, das hier von Rangern aufgezogen wird. Linda ist ganz selig, es auch mal halten zu dürfen. Dem Kleinen behagt es wohl nicht so besonders - er fängt bald an zu strampeln.
    Da es gerade nicht nach Regen aussieht, beschließen wir, heute noch den Ubirr Rock mit seinen Aboriginal-Felsmalereien zu besuchen. Zum Hotel in Jabiru zieht es uns eh' nicht - es ist das Holiday Inn geworden, wie wir kurz vor Reiseantritt erfahren haben, und nicht die alternativ angebotene Cooinda Camp-Lodge. Sehr schade!
   Die Strecke in den Nordteil des Parks führt Kilometer lang an umgestürzten, zerborstenen Bäumen und teilweise verbrannten Eukalyptuswäldern vorbei - ein eindrucksvolles Szenario dessen, wie die hier nicht seltenen Zyklone wüten. Dicht und unbeschadet ist die tropische Vegetation, die wir
auf unserem Weg vom Parkplatz zum Ubirr Rock durchwandern. Obwohl es gerade mal vier Uhr Nachmittag ist, kommt es uns hier unter den Baumwipfeln recht düster vor. Grund dafür ist allerdings nicht eine durch das üppige Pflanzendach bedingte Absorption des Tageslichts, sondern eine schwarze Wolkenwand, die sich urplötzlich über uns geschoben hat. Den geplanten einstündigen Rundweg im Wäldchen hier schreiben wir im Geiste ab und widmen uns in aller Ruhe der Felswand des Ubirr mit ihren beeindruckenden Kunstwerken aus alten Tagen. Dann allerdings fallen die ersten schweren Regentropfen, und den letzten Sprint zum Auto schaffen wir gerade noch, ehe das Unwetter so richtig losgeht. Dass Hans dann noch ganz fix aus dem Kofferraum die Tasche mit trockenen Sachen fischt, ist heldenhaft, durchweicht ihn allerdings nun restlos bis auf die Haut. Nach einer halben Stunde vergeblichen Wartens auf Wetterbesserung machen wir uns auf den Weg nach Jabiru, ehe womöglich Straßen unter Wasser stehen oder Bäume darüber liegen - eine 40-Kilometer-Höllenfahrt teilweise im Schritttempo und bei Sichtverhältnissen gerade mal bis zwei Meter.
   Natürlich kommen wir im Stockfinstern an, das kleine Örtchen ist zwar übersichtlich, aber unsere Wegbeschreibung zum Hotel nicht. Schließlich erreichen wir unsere Bleibe, einen Klotz in der geschmackvollen Form eines Krokodils, das Empfangspersonal kurz angebunden und darauf hinweisend, dass es nur noch eine knappe Stunde lang Abendessen gibt. Schnell geduscht und umgezogen kratzen wir die letzten Reste vom Buffet. Unser Abend im Park klingt nicht wie erhofft aus, begleitet von den faszinierenden Geräuschen der Nacht im Busch, sondern vom weinseligen Gegröhle einer Busladung Holländer. Lichtblicke sind unsere nette Terrasse vorm Zimmer, wo geraucht werden darf, und ein ab und zu lautlos über den Pool gleitender Flughund.

   Eile ist am nächsten Morgen geboten: Wir haben eine "Yellow Water" Cruise gebucht, die Morgen-Tour, um im Lauf des Tages so viel wie möglich vom Kakadu-Park erkunden
zu können und die 260 Kilometer nach Katherine ohne Stress zu schaffen. Um neun Uhr ist Treffen an der Anlegestelle in Cooinda, eine Stunde Fahrt. Nach einem hinuntergeschlungenen Frühstück, Kofferpacken und Auschecken geben wir Gas, versuchen nicht allzu oft die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten und hoffen Wildwechsel rechtzeitig zu erkennen.
   Unsere Sorge zu spät zu kommen erweist sich als unbegründet: Um neun stehen zwei Schiffchen mit ein paar Passagieren zwar ablegebereit am Steg, aber abgängig ist noch eine komplette Reisegruppe mit Reservierung. Wir besteigen das Boot mit der Gruppe aufgekratzter, munter palavernder Franzosen. Unter anhaltendem Palaver und lautstarken Entzückungsschreien tauchen wir schließlich ein in die zauberhafte Sumpflandschaft des Yellow Water, das weiter nördlich als Alligator River in die Timor See mündet.
    Unser Guide bittet hin und wieder, etwas leiser zu sein wegen der Tiere. Es folgt jedesmal unisono ein zischendes "Scht" mit vorgehaltenem Zeigefinger und anschließendem Gekicher. Aber trotz des Geräuschpegels an Bord lassen uns die am Ufer sitzenden Scharben, Kormorane und Reiher recht nah an sich ran und putzen sich seelenruhig weiter, jagen oder trocknen ihre Flügel. Auch das Fischadler-Paar fühlt sich nicht gestört und prüft nur kurz, was Sache ist. Wir haben es allerdings im Verdacht, sich nicht für uns sondern eher das Salzwasserkrokodil zu interessieren, das sich gerade an einen Trupp Reiher auf einem Baumstamm heranpirscht - wie unser Guide mit Scharfblick entdeckt hat. Könnte ja etwas abfallen. Der Saltie hat offenbar keinen Hunger und paddelt wieder weg.Viel zu schnell laufen die drei Stunden hier in dieser fantastischen Tropenlandschaft ab - man könnte den ganzen Tag so vor sich hinschippern, die Bewohner des Wassers beobachten und die unendlichen Vogelschwärme am Himmel verfolgen. Doch die Zeit ist um, und der Park hält sicher auch noch andere sehenswerte Plätzchen für uns bereit.
   Das erste ist die ein paar Hundert Meter von der Anlegestelle entfernte Cooinda Lodge, wo wir eine kurze Mittagspause einlegen und bestätigt bekommen, dass diese Übernachtungsalternative genau unserer Wunschvorstellung entsprochen hätte - mit gemütlichen Holzbungalows
unter schattigen Bäumen und Vogelgezwitscher ringsum. Den Besuch des Nourlangie Rock mit der berühmten Felsmalerei, dem "Blitz-Mann", können wir vom Programm streichen - die Zufahrt ist gesperrt. Der vom Veranstalter empfohlene "kurze Abstecher" zu einem Aussichtspunkt entpuppt sich als Gewaltmarsch steil bergauf, den wir nach einer Dreiviertelstunde abbrechen. Die Hitze ist schier unerträglich trotz Schatten, und mit unserer Kondition stehts offenbar auch nicht zum Besten.
   Mehr Spaß macht uns kurz darauf die Begegnung mit einer Kragenechse, die wohl vor uns die Straße überqueren wollte und nun neben uns her saust. Wir haben Glück: Als wir stoppen, um eine behutsame Verfolgung zu Fuß aufzunehmen, entdecken wir sie knapp vor uns. Ganz geheuer sind wir ihr nicht, aber offenbar auch kein Anlass zur Flucht. Dann zieht sie doch vor, einen Sicherheitsabstand zu wahren und trippelt zum nächstgelegenen
Baum, um sich dort hinterm Stamm vor unseren Blicken zu verbergen. Hier können wir sie in ihrer ganzen Schönheit und in aller Ruhe betrachten, aus etwa zwei Metern Entfernung und immer ein paar Schritte um den Baum herum - ein klein wenig ziert sich das Prachtstück schon!
   Leider müssen wir langsam den Park verlassen - uns erscheint die Zeit für dieses Riesen-Areal viel zu knapp bemessen. Die letzten Kilometer am Stuart-Highway nach Katherine fahren wir unter permanentem Scannen der Randstreifen und weit unter den gestatteten 80 Stundenkilometern: Linda muss glatt eine Vollbremsung einlegen, als ein Känguruh aus den Büschen springt und Anstalten macht, die Straße zu überqueren. Aber es bleibt sitzen. Uns bricht der Schweiß aus...
   Katherine, unser heutiger Übernachtungsort und Ausgangspunkt zahlreicher wärmstens empfohlener Unternehmungen, ist ein Miniort entlang einer Durchgangsstraße. Orientierungsprobleme beim Auffinden unserer Lodge haben wir dennoch - unser Lageplan ist eindeutig seitenverkehrt und sein Zeichner auch noch von Süden her gekommen, aber das realisieren wir erst beim zweiten Ortsdurchlauf.
   Das "All Seasons Inn" macht einen netten Eindruck: kleine Bungalows zwischen uppigem Grün mit Tischchen und Stühlen im Freien - wir freuen uns auf einen gemütlichen Abend mit Gläschen Wein vor dem Schlafengehen. Unsere Hütte ist allerdings eine der wenigen direkt am betonierten Parkplatz gelegenen und lädt nicht unbedingt zu einem längeren Aufenthalt vor der Tür ein. Ein kurzer Rundgang zeigt, dass kaum ein Haus belegt ist. Unsere Frage bezüglich eines Wechsels wird abgeschmettert - es ist so gebucht, so verrechnet und auch gegen Aufpreis nichts zu machen. Und zum Abendessen sollen wir jetzt gleich reservieren. In Anbetracht dieses Entgegenkommens boykottieren wir das Hotel-Dinner und marschieren ins Örtchen, um uns ein kleines Restaurant zu suchen. Da haben wir auch Pech, denn wir finden keines. Geöffnet ist lediglich eine Art Pizza-Laden, grün ausgekachelt, wo ein Schwarzer den Boden auswischt und sonst keiner drinsitzt. Wir kehren reumütig ins All Seasons Inn zurück, wo wir dann doch noch zu einem recht feinen Abendessen kommen und unser Gläschen Wein eben auf der Restaurant-Terrasse schlürfen.

   Nach einem diesmal geruhsamen Frühstück treten wir die 400 Kilometer Fahrt über den Stuart-Highway zurück nach Darwin an. Um uns der hiesigen Top-Attraktion, der Katherine-Schlucht, angemessen widmen zu können - ob mit Flussfahrt, Wanderung oder Ähnlichem -, hätten wir bei dem heutigen recht straffen Tagespensum wahrscheinlich um vier Uhr Früh aufstehen müssen. Den Versuch, zumindest einen kleinen Einblick in die Schlucht zu erhaschen, brechen wir ab: Der Ausschilderung von Katherine folgend
landen wir auf einem Parkplatz in der Wildnis, von wo aus der kürzeste Wanderweg eineinhalb Stunden zum Ziel führt. Dafür ist keine Zeit, aber
die hier vereinzelt wachsenden aparten "Bloodgums" mit ihrer markanten, knallroten Rinde sehen wir uns genauer an. Später stoppen wir beim alten Goldgräber-Städtchen Pine Creek und wandern dort im Bergbau-Museum zwischen uralten Maschinen und Lokomotiven umher. Spannend gestaltet sich danach die Suche nach der dringendst benötigten Tankstelle - irgendwie haben wir in Katherine nicht daran gedacht. Die große am Highway ist geschlossen und wir probieren es im nächstgelegenen Ort etwas abseits.
Das vielversprechende Schild mit Hinweis auf Caravan-Park, allen "Facilities" inklusive Tankmöglichkeit führt zwar zu einer entsprechenden Anlage, der Tankwart ist aber gerade nicht da und "Gone fishing", wie er auf einer Tafel mitteilt. Seine Rückkehr wollen wir nicht abwarten und versuchen unser Glück bei einem heruntergekommenen Kramladen, vor dem eine Zapfsäule steht. Offenbar ist es keine "offizielle" Tankstelle - aber netterweise erhalten wir die nötige Kleinmenge an Sprit, um zur nächsten "richtigen" zu kommen.
   So viele Känguruhs unterwegs zu Gesicht zu bekommen, hätten wir nie gedacht - allerdings sind es lauter tot gefahrene, die auf der ganzen Strecke im Abstand von oft unter hundert Metern neben dem Highway liegen. Es ist ziemlich deprimierend. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb wir kurzfristig beschließen, noch dem Territory Wildlife Park nahe Darwin einen kurzen Besuch abzustatten. Ist zwar nicht ganz das "echte" Wildlife, aber hier hoppeln die Beutler wenigstens munter herum, wir erleben eine Flugshow mit Keilschwanzadlern und sehen ganz fasziniert einer Karawane von Blattschneiderameisen zu. Das kleine Aquarium und die Voliere mit tropischen Vögeln müssen wir im Schnelldurchlauf absolvieren, um den letzten Shuttlebus zum Ausgang zu erreichen - der Park schließt um 16.30.
   Unsere Tour durch den Norden endet im altbekannten Mirambeena Resort in Darwin, mit einer Runde im Pool und später in der Snackbar mit gegrilltem Barramundi. Wir treffen Vater und Tochter sowie das vermeintliche Lehrerehepaar und tauschen Erlebnisse aus. Zur Katherine-Schlucht hat es keiner geschafft, in puncto Sichtung lebendiger Beuteltiere in freier Wildbahn waren wir beide klare Sieger. Pfiffig finden wir, dass Vater und Tochter sich ab morgen ein Allradfahrzeug haben reservieren lassen - nicht dumm für die nächste Etappe unserer Reise, die Fahrt durchs Outback zum Ayers Rock.